Packet-Radio Interessengemeinschaft DBØEAM e.V.

 

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Rückblick: (Wie alles begann....)
von Georg Giese, DF2AU

Als eine Gruppe von Funkamateuren im kanadischen Vancouver im Jahre 1978 mit Experimenten zur digitalen Nachrichtenübermittlung begannen, ahnte noch niemand, welche rasante Entwicklung dieser Technik noch bevor stand. Nach der Vancouver Amateur Digital Communications Group (VADCG) bildete sich 1981 in Tucson/USA die
Tucson Amateur Packet Radio Vereinigung TAPR.
Diese Gruppe entwickelte später den schon fast legendären TAPR TNC-1 (Terminal Node Controler) mit einer Amateurversion des kommerziellen X.25 Protokolls, genannt AX.25, die sich weitgehend gegenüber der VADCG-Version durchgesetzt hat.
Das AX.25 Protokoll der Ebene 2 ist inzwischen auch weltweit von der IARU als neuer Standard und neue Betriebsart anerkannt worden.
Seit Anfang 1984 ist der Datenpaketfunk (im Folgenden als Packet Radio bezeichnet) auch in der Bundesrepublik vertreten. Waren am Anfang nur ganz wenige Stationen in Hannover, Braunschweig und München vertreten, so stieg die
Zahl innerhalb weniger Wochen (zum Teil dank gut organisierter Masseneinkäufe durch den Distrikt Bayern Süd) schon deutlich an. Bis heute ist die Zahl der Packet Radio Stationen fast explosionsartig gestiegen, was u.a. an Nachfolgegeräten vom TNC-1 (damals als Bausatz über 800 DM!!) wie TNC-2, entsprechenden Nachbauten, C64/Apple-Softwarelösungen, aber auch neuen kommerziellen Produkten von KANTRONIC, AEA, usw. zu verdanken ist. Diese Entwicklung führt auch dazu, dass ältere Betriebsarten wie RTTY mehr und mehr verdrängt, bzw. durch diese neue Technik besonders auf UKW abgelöst werden.

Die Vorteile von Packet Radio liegen klar auf der Hand:
100%ig fehlerfreie Datenübertragung (Texte usw.) auch unter zeitweise gestörten Bedingungen, z.B. mit Informationssystemen (Packet Radio Mailboxen). Ökonomische Auslastung der Frequenzen, da zugleich eine große Anzahl von Stationen den gleichen Kanal benutzen kann.
Im Vergleich zu anderen Betriebsarten, hohe Übertragungsgeschwindigkeiten möglich.
Zweifelsohne gehört Packet Radio zu einer der modernsten Entwicklungen im Amateurfunk. Die Folgen werden mit Sicherheit genauso revolutionär sein, wie damals die Einführung von FM und SSB im Amateurfunk, die dann ja auch später im kommerziellen Bereich die Betriebsart AM weitgehend abgelöst hat. Dabei befindet sich die Entwicklung von Packet Radio gerade erst am Anfang.
Nachdem die HF-Technik fast ausgeschöpft zu sein scheint (abgesehen von einigen hochmodernen, mit mehreren Mikroprozessoren gesteuerten Funkgeräten mit tauben Empfängern), bietet die digitale Kommunikationstechnik für viele
computerbegeisterte Funkamateure, im Sinne des experimentellen Charakters des Amateurfunks, ein neues Betätigungsfeld. Vorsicht ist jedoch geboten, denn Funkgeräte und Modems sind wichtigster Bestandteil von Packet Radio. Parallel mit der Weiterentwicklung von Packetvermittlungssystemen (Digipeater, Netzknoten, usw.) müssen auch neue Wege in der Übertragungstechnik und bei den Modulationsarten gesucht werden, denn der Bedarf nach sicheren und schnellen Verbindungslinien wird immer größer. Ein Packet Radio Netz ist jedoch nur so gut wie seine HF-Strecken.

Der Beginn in unserem Einzugsbereich
Ende 1984 / Anfang 1985 schlossen sich interessierte Funkamateure aus dem größeren Einzugsbereich von Hannover, Braunschweig und Göttingen zur NORD><LINK Arbeitsgruppe Datenpaketfunk zusammen. Ziel war es, geeignete Geräte (Hardware, Software) für Packet Radio zu entwickeln. Im Vordergrund stand jedoch die Errichtung von Digipeatern (Digital Repeater) um der Allgemeinheit auch die Überbrückung von größeren Entfernungen, mit späterer Netzbildung, zu ermöglichen. Denn schon in den ersten Tagen stellte sich heraus, dass ein sinnvoller Betrieb nur geordnet verlaufen kann, wenn man Chaos und Enttäuschung vermeiden möchte.
Die Entwicklung des Netzes in unserem Raum lässt sich in mehrere Stufen aufteilen:

STUFE 0: Keine Digipeater.
Der gesamte Betrieb spielte sich auf der 2m-Frequenz 144.675 MHz (-25 kHz Arbeitsbereich, leider kaum benutzt) ab. Es gab keine Digipeater an exponierten Standorten, so dass jede Station selbst als Digipeater fungierte und Pakete ihren Empfänger auf diese Weise nur unter viel Mühe erreichten. Größere Entfernungen waren kaum möglich, weil wegen vieler Kollisionen (mehrere Stationen senden gleichzeitig) bei längeren Strecken über mehrere solcher privaten Digipeater, Pakete verloren gingen und dadurch häufig wiederholt werden mussten. Folglich rissen Verbindungen sehr häufig ab oder benötigten trotz der recht hohen Baudrate unangemessen viel Zeit. Kurzum, die Angelegenheit war nicht sehr zufriedenstellend und das Chaos wuchs und wuchs.

STUFE 1: erste Digipeater auf 2m.
Nachdem die Stufe 0, trotz aller Begeisterung für die Technik, nicht zufriedenstellend arbeitete, begann die Suche nach Ausbaumöglichkeiten. Zu Versuchszwecken wurden schließlich in Hannover am Deister, in Braunschweig und in Göttingen einfache Digipeater mit guten Antennen. auf hohen Standorten errichtet. Über diese Digipeater war es nun möglich, Entfernungen von teilweise über 100 km zu überbrücken. Ende November 1984 wurde auch in Hamburg ein Digipeater auf 144.675 MHz von der späteren Hamburg Packet Radio Gruppe (kurz HPRG) errichtet. Unter normalen HF-Bedingungen war es nun durchaus möglich, auch Verbindungen von Göttingen bis Hamburg (maximal 2 bis 3 Digipeater) aufzubauen. Aber auch im Nahbereich wurde durch die hochgelegenen Digipeater die Situation zunächst deutlich besser und viele "wilde" private Digipeater wurden überflüssig, was wiederum zur Entlastung der Frequenz führte. Doch zeigten sich dank stetig steigender Aktivität schon wenige Monate später die Grenzen eines solchen Netzwerks, es kam zu Blockierungen. Die Ursache dafür liegt in der Betriebsart mit Vielfachzugriff, d.h. mehrere Stationen beanspruchen die gleiche Frequenz zur gleichen Zeit. Um sogenannte Kollisionen (also Doppelaussendungen) zu vermeiden, besitzen die TNCs eine DCD-Logik (Data Carrier Detect). Diese Logik bewirkt, dass der eigene TNC nur dann auf Sendung geht, wenn die Arbeitsfrequenz frei ist und keine andere Station gehört wird. Hören sich alle Stationen untereinander, dann ist hierdurch ein fast problemloser Betrieb gewährleistet. Bei einem Digipeater mit großer Reichweite ist die Sachlage jedoch etwas einseitig: Der Digipeater wird von allen Benutzern gehört und der Digipeater hört alle Benutzer. Aber viele Benutzer hören sich NICHT untereinander!! Die Folge davon ist, dass häufig mehrere Stationen gleichzeitig senden, da für jeden Einzelnen die Frequenz scheinbar frei ist. Daraus resultiert eine Kollision der Pakete und der Digipeater hört entweder nur Interferenzen, die er nicht dekodieren kann, wenn beide Stationen annähernd gleich stark sind. Ist eine Station deutlich stärker, so hört er in diesem Moment nur deren Signal, welches dann anschließend wieder abgestrahlt wird. Alle anderen Stationen werden nach kurzer Zeit automatisch ihr Paket wiederholt ausstrahlen und erleiden u.U. wieder das gleiche Schicksal. Hinzu kommt noch, dass sich die Digipeater untereinander sehr stark hörten, aber nicht jeweils die Benutzer des anderen Digis. Diese Effekte führten zur chronischen Taubheit der Digipeater und so war es nicht selten, dar der Datendurchsatz auf nur 25% (ALOHA, unkoordinierter Vielfachzugriff) absackte, wenn zu viele Stationen auf die Digipeater drängten und mehrere Mailboxen an verschiedenen Stellen aktiv waren.

STUFE 2: erstes lokales Netzwerk mit 70cm-Interlink und 2m-Einstieg.
Eine Lösung der Probleme schien nur dadurch möglich, dass man die Reichweite der Digipeater wieder verkleinerte (sie war ja nur deshalb sehr groß gewählt worden, um auch andere Digis direkt erreichen zu können) und eine andere Möglichkeit fand sie direkt untereinander zu vernetzen, ohne damit die Benutzerfrequenz weiterhin zu belasten. Nach ersten Überlegungen zu einem eigenen Netzknotenrechner (DON & DONNA), der dann wieder aufgegeben wurde, fand sich die Lösung dann in einer von Michael, DC40X, aufbauend auf der WABDED-Software vom TNC-1, entwickelten NORD><LINK INTERLINK-Software. Hierbei wurde je ein Funkgerät mit TNC und Interlink-Softwe are auf 2m (Netzeinstieg) und 70cm (Interlink) installiert und beide TNCs über die RS232-Schnittstelle gekoppelt. Wollte jetzt ein Benutzer in Hannover eine Verbindung nach Göttingen aufbauen, so musste er nur DB0FD und DB0FE als Digipeater angeben. Die Software kümmerte sich automatisch um das Weiterleiten, indem sie anhand einer Liste die Rufzeichen analysierte. Waren der erste und der zweite Digipeater als Interlink-Digi bekannt -in diesem Fall DB0FD und DB0FE- so wurde das Paket nicht auf 2m, sondern auf 70cm weitergeleitet. In Göttingen wurde es vom anderen Interlink- Digi erkannt und weil kein weiterer Interlink-Digi angefügt war, wieder auf 2m ausgestrahlt. Dieses Konzept welches seit Anfang 1986 für fast 1 1/2Jahre lief, erwies sich als voller Erfolg. Zusammen mit DB0FC (Braunschweig) und DLORI (auf dem Knüll) entstand das erste funktionsfähige Netzwerk auf Level 2 Ebene in der Bundesrepublik. Das Netz erfreute sich großer Akzeptanz und über weitere 2m-Digipeater waren Verbindung von Bremen (bis hinter Knüll) nach Frankfurt möglich.

STUFE 3: 2m-Netzeinstieg und 70cm-Interlink auf Level 3/4 Ebene des ISO- Schichtenmodells.
Eine wesentliche Verbesserung des Datendurchsatzes auf Protokoll-Ebene lässt sich nur durch höhere Netzwerkprotokolle erreichen. Nach dem 7-stufigen ISO- Schichtenmodell sind hierfür der Level 3 (NETWORK-LAYER) und der Level 4 (TRANSPORT-LAYER) vorgesehen. Level 2 ist der eigentliche LINK-LAYER, der prinzipiell nur für Verbindungen zwischen jeweils 2 direkt benachbarten Endstellen (Benutzer, Knoten, usw.) gedacht ist und in den normalen TNCs zur Anwendung kommt. Hinzu kommt, dass ein rein auf Level 2 aufgebautes Netz nur einen begrenzten Umfang erreichen kann. So sind laut Protokoll-Spezifikation nicht mehr als 8 Digipeater zwischen zwei Stationen zulässig. In der Praxis ist es aber kaum möglich, Strecken mit mehr als 3 Digipeatern aufzubauen. Der Grund dafür liegt in den schon mehrfach beschriebenen Kollisionen. Geht auf der langen Strecke nur ein einziges Paket verloren, so muss der komplette Vorgang wiederholt werden. Dieses macht deutlich, dass eine Vernetzung von größeren Regionen hur mit höheren Protokollen sinnvoll durchführbar ist. Seit Sommer 1987 ist unter der Bezeichnung NET/ROM eine Software verfügbar, die diesem Ziel schon sehr nah kommt. Die Vorteile gegenüber dem vorherigen NORD><LINK Interlink-Konzept auf Level 2 Ebene waren so ausschlaggebend, dass sich die NORD><LINK Gruppe und damit besonders die Betreiber der Netzknoten, im Sommer entschlossen hatten, die alten TNC-1 gegen neue TNC-2 mit NET/ROM auszutauschen.
Entscheidender Vorteil gegenüber der alten Methode des Digipeatings ist der Bestätigungsverkehr zwischen den einzelnen NET/ROM-Knoten, was einen größeren und schnelleren Datendurchsatz zur Folge hat. Der Benutzer muss lediglich seinen eigenen Netzknoten connecten (z.B. H:DB0FD) und kann als nächstes seinen Zielknoten anwählen (z.B. GOE für DB0FE in Göttingen). Wichtig ist, dass der Benutzer den eigentlichen Weg zum Ziel nicht kennen muss, dieses übernimmt die Software vollautomatisch und stellt eine Verbindung auf dem besten Weg her. Am Ziel angekommen, kann der Benutzer nun seinen Partner connecten. Treten zwischen dem Partner in Göttingen und dem dortigen Knoten Wiederholungen auf, so bleiben sämtliche anderen Strecken von zusätzlichen Kollisionen verschont und somit der Betrieb flüssiger. Seit Einführung von NET/ROM ist eine deutliche Steigerung des Datendurchsatzes eingetreten. Jeder einfache Digipeater wäre bei den derzeitigen Benutzern und Datenmengen überfordert.
Seit einiger Zeit ist nun NET/ROM durch THENET die neue Software von Michael, DC40X und Georg DF2AU im Einsatz. Durch eine konsequente Entwicklung der Netzstruktur, angefangen mit dem Netzeinstieg auf 2m und Interlink auf 70cm und die Verwendung höherer Netzebenen, wurde eine Kanalisierung des 2m Packet Radio Betriebs erreicht und den Benutzern ein funktionsfähiges Netz zur Verfügung gestellt, dass für Jedermann erreichbar ist.
Heute sind von den erwähnten 2m-Einstiegen in DL noch DB0FC, DB0FD und DB0FE vorhanden. Netzeinstiege findet man heute in der Regel im 70 cm Band, ebenso wird die Vernetzung der Digipeater untereinander im 23 cm Band durchgeführt.

 

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